Steine auf dem Weg zur höheren Bürgerschule
Die wirtschaftliche Entwicklung der Stadt Altena, verbunden mit einer großen Bevölkerungszunahme, ließ bald einen weiteren Ausbau der Schule wünschenswert erscheinen. So beantragte das Kuratorium der Schule bei den Stadtbehörden den Ausbau der 3-stufigen Schule um die beiden Klassen Tertia und Sekunda, die jeweils zweijährig sein sollten. Ziel war eine Schule, in der die „mittlere Reife“ erlangt werden konnte. Die Mitglieder des Kuratoriums, des Magistrates und der Stadtverordnetenversammlung waren sich uneins über die Fragen, wieviel Geld diese Schulerweiterung kosten würde und ob man der untersten Klasse der Steuerpflichtigen ohne eigenen Vorteil die Steuerbelastung zumuten könne, und schließlich, ob nicht die ohnehin geringe Zahl Altenaer höherer Schüler nicht viel billiger in auswärtige höhere Schulen eintreten könnten. In den Streit der Argumente mischte sich von Amts wegen auch der damalige Landrat von Holtzbrinck ein. Die Bedenken bezüglich der Steuergerechtigkeit gegenüber den Nichtnutzern der Anstalt hielt er in seinem Bericht vom 9.3.1870 für „höchst erheblich“. Letztlich genehmigte die Bezirksregierung am 17.4.1871 die allmähliche Ausbildung der höheren Stadtschule zu einer vollständigen evangelischen Höheren Bürgerschule. Fünf Jahre später gibt ein Schülerverzeichnis die Zahl der Schüler mit 91 an, nämlich Sexta 35, Quinta 11, Quarta 17, Tertia 22, Sekunda 6. Am 30. März 1877 war die Lehranstalt als höhere Bürgerschule im Sinne der Unterrichts- und Prüfungsordnung anerkannt und dadurch zur Ausstellung von Zeugnissen über die wissenschaftliche Befähigung für den einjährig-freiwilligen Militärdienst berechtigt. Diese Zeugnisse verkürzten damals den dreijährigen Militärdienst auf ein Jahr. Man hatte mit diesem Zeugnis „das Einjährige“ erlangt oder eben die „mittlere Reife“. Die ersten Schüler, die am 6. Oktober 1877 nach erfolgreicher Abschlussprüfung die „Reife“ zuerkannt bekamen, waren die Schüler Ernst Dönneweg und August Knieben, sodass ihnen ein Zeugnis der Reife mit dem Gültigkeitsvermerk des Königlichen Provinzialschulkollegiums in Münster ausgestellt werden konnte, während ihrem Klassenkameraden August Schmieding ein solches verweigert wurde, weil er nach Ansicht der Behörde für nicht reif zu erklären war.
Das Realprogymnasium
Als 1871 die Altenaer höhere Stadtschule in eine höhere Bürgerschule umgewandelt wurde, hatte Dr. Voswinkel die Schulleitung an Karl Mummenthey abgegeben. Dieser nachdenkliche, aktive und durchaus nicht immer bequeme Direktor ließ bei den Behörden nichts unversucht, „seine“ höhere Bürgerschule zum Realprogymnasium aufwerten zu lassen. Immer wieder erinnerte er in Reden und Briefen an die vom Jahre 1626 in Altena nachweisbare humanistische Tradition, welcher sich viele Altenaer Bürger verpflichtet fühlten. Er erinnerte daran, wie viele Söhne hiesiger Familien sich den humanistischen Studien zuwendeten, aber genötigt waren, in frühem Alter das elterliche Haus und ihre Heimat zu verlassen, „da der Lehrplan der hiesigen höheren Bürgerschule -die ursprünglich humanistische Anstalt war- diesen Studien genügende Rechnung zu tragen gegenwärtig aufgehört hat“ (19). Ebenso schmerzten ihn die „Geldsummen“, die aus Altena abflössen, weil mit ihnen die Unterhaltung der in Frage stehenden auswärtigen Schüler gesichert würde. Der erzieherische Einfluss des Elternhauses sei durch nichts zu ersetzen und gerade darum sei es geboten, dass neben dem Unterrichtsplan der höheren Bürgerschule der Unterrichtsplan eines Progymnasiums einzuführen sei. Die unermüdlichen Bemühungen des Karl Mummenthey blieben nicht ohne Erfolg: Am 31. März 1882 wurde aus der fünfklassigen höheren Bürgerschule ein siebenklassiges Realprogymnasium. Mummenthey unterrichtete die Fächer Mathematik, Physik, Französisch und Englisch. Dass Mummenthey neben seiner wissenschaftlichen Qualifikation auch ein nachdenklicher Pädagoge war, mag folgendes Zitat von ihm belegen:
„Ich bin überzeugt, daß nicht nur der Schüler dem Lehrer, sondern auch der Lehrer dem Schüler eine tiefe innere Achtung darzubringen hat“ (19).
Abb. 8Karl Mummenthey Direktor von 1871 bis 1888 |
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Karl Mummenthey hatte in seinem Wesen auch Ecken und Kanten, sodass es im Laufe der Jahre zu Reibereien und Zerwürfnissen mit Männern der Stadtverwaltung und seines Lehrerkollegiums kam. Im Jahre 1888 wechselte er als Oberlehrer über zum Königlichen Gymnasium in Wesel, während der Weseler Oberlehrer Dr. Rebling sein Nachfolger in Altena wurde. In seinem letzten Altenaer Jahresbericht (1887/88) schrieb Mummenthey: „Nach angestrengter , oft bis zur Erschöpfung meiner Kraft reichender Tätigkeit im Dienste der Schule gebe ich die Anstalt, welche ich im Herbst des Jahres 1871 als dreiklassige höhere Stadtschule übernahm, als vollberechtigtes Realprogymnasium in die Hände der städtischen Behörden zurück.“. (19).
Aus der Festschrift zum 100-jährigen Bestehen des Gymnasiums: Günter Mähl; Altenas höhere Schule - Stationen und Begebenheiten. 2003, 11-12.